Weiterdenken!
19. Juli 2010
Besonders reizvoll an diesem Versuch, Wolfgang Iser weiterzudenken, ist, dass „Weiterdenken“ ganz zentral für die Art und Weise war, wie Iser sich auf die geisteswissenschaftlichen Traditionen bezog. Die letzten Lebensjahre des prominenten Konstanzer Professors waren erfüllt von geradezu kühnen Gedanken zu einer „Philosophie der Emergenz“. Mit dem Begriff Emergenz (Auftauchen), so lassen die Manuskripte aus seinem Nachlass vermuten, war Iser dabei, nicht nur eine Alternative zu dem geistes- und kulturwissenschaftlichen Begriff der „Geschichte“, sondern auch dem eher naturwissenschaftlichen Begriff der „Evolution“ zu entwickeln. Revolutionär an einer Vorstellung von Emergenz ist, dass sie Veränderungen in der Zeit ohne Ausgangspunkt und ohne kontinuierliche Richtung denkt, ganz anders als „Geschichte“ oder „Evolution“. Wolfgang Iser nahm, so Gumbrecht, in intellektuell kühner Weise einen Begriff vorweg, der für das 21. Jahrhundert zu einer Denknotwendigkeit werden könnte.
Wolfgang Iser lehrte von 1966 bis 1991 an der Universität Konstanz. Mit Hans Robert Jauß und Hans Blumenberg begründete er die weltweit beachtete Forschergruppe „Poetik und Hermeneutik“. Um diese bedeutende Konstanzer Tradition in Erinnerung zu behalten und weiterzuführen, veranstaltet der Fachbereich Literaturwissenschaft der Universität Konstanz zusammen mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach einmal jährlich einen Festvortrag, die so genannte „Wolfgang-Iser-Lecture“. Die Veranstaltung, die auf den Geburtstag des Namensgebers fällt, findet im Rahmen des Exzellenzclusters „Kulturelle Grundlagen von Integration“ statt.
Kontakt
Sigrid Elmer (Elternzeitvertretung für Claudia Marion Voigtmann)
Tel. 07531 88-4741
E-Mail sigrid.elmer[at]uni-konstanz.de